Gottesberührung

Fortsetzungsroman von Clara Märzhoven

Die Frau zu seinen Füßen

Das Licht weitete sich in glitzernden Bögen und schwappte mit der Bewegung des Wassers an die Wand. Die Sonne tastete von Osten den Raum durch die Fensteröffnung ab, fand Gefallen an dem Spiel mit den Wellen und leuchtete bis auf den Boden des Bassins. Johanna stand auf der schmalen Brücke, die aus der Sauna über das Schwimmbassin gebaut war und schaute verträumt auf das bunte Mosaik am Boden des Beckens.

Sie liebte diese frühen Stunden des Tages, wenn die Menschen noch in der Ruhe der Nacht hafteten und die Luft noch nicht erfüllt war von dem Stimmgewirr des späten Vormittags. Sie liebte überhaupt Massada, den steten kühlen Wind, den weiten Blick über das Land und die sichere Geborgenheit in den Festungsmauern. Und jeden frühen morgen war sie die Erste, die ins Badehaus kam, vorbei an dem Haus des wachhabenden Offiziers, links die Bäckerei und rechts der kleine Verschlag, in dem einige Hühner und zwei Ziegen von den Mägden aus der Küche gehalten wurden. Jetzt ging sie die Treppe am Ende der Brücke hinunter, ließ ihre Kleidung auf dem Steinsims liegen und schwamm mit schnellen, kräftigen Zügen durch das Becken.

Das Wasser war schon durch den Ofen gut gewärmt, und es machte ihr Spaß, bis zu den Fischmosaiken des Grundes zu tauchen. Prustend kam sie an die Oberfläche und wiederholte das Spiel, indem sie den Armreif ihrer linken Hand von sich streifte und auf den Grund sinken ließ. Mit einigen Zügen hatte sie ihn erreicht und brachte ihn an die Oberfläche. “Wie schön ist Massada” ging es ihr durch den Kopf

Leider würde man heute wieder nach Jerusalem aufbrechen. Chuza hatte es ihr gestern erzählt, daß Herodes vorhatte, heut den Aufenthalt abzubrechen. Sie wollte also diesen Morgen noch einmal genießen, denn wer weiß, wann der Hof von Herodes hier wieder hinkommen würde. Sie guckte nun nach einem Handtuch aus und konnte keines auf irgendeiner Bank entdecken. “Salome”, rief sie deshalb ärgerlich “Salome, ich brauche ein Handtuch.”

Aus dem hinteren Teil des Badehauses, dort wo die Einzelwannen standen, hörte sie Salome mit dem Heizer sprechen. Bei dem Ruf von Johanna erstarb Salomes Stimme, und Augenblicke später erschien die Sklavin an der Tür, die den Innenhof mit dem Bassin verband. “Entschuldigt, Herrin,” Salome beugte sich leicht nach vorne und legte das angewärmte Handtuch um Johannas Schultern. Sie trocknete Johanna ab, legte ein zweites Tuch um ihr volles schwarzes Haar und griff dann in einen Korb unter der Bank, aus dem sie eine Flasche mit Öl holte und begann, Johanna einzureiben.
Johanna blieb stehen und sah sich in dem lebensgroßen Spiegel an. Sie war groß, größer als die anderen Frauen des Hofes, genau so groß wie ihr Mann Chuza. Chuza war erst vor zwei Monaten Finanzminister vom König Herodes geworden war. Chuza war füllig geworden in den letzten Jahren, sie aber war groß und schlank. Ihre Haut war bronzefarben, sie hatte dunkles schweres Haar, das ihr Salome zu einem Zopf geflochten hatte, gesunde Zähne und eine etwas zu lange, kühne Nase. Die Kinder hatten keine Spuren auf ihrem Bauch hinterlassen. Ihre Haut war glatt, und Chuza hatte es einst geliebt, sie auf den Bauchnabel zu küssen. Aber das war lange her. Sie seufzte und schloß die Augen, wie schön war Massada und morgen sollte sie wieder in Jerusalem sein.

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